Das erste Urteil ist gefallen: Ein Kölner Elternpaar erhält vom öffentlich finanzierten KiTa-Träger die in der Vergangenheit zu unrecht gezahlten „Zusatzbeiträge“ zurück.
Das Urteil des Kölner Amtsgerichtes mit dem Aktenzeichen 130 C 346/20 ist hier in der NRW-Datenbank „NRWE“ (anonymisiert) veröffentlicht: https://www.justiz.nrw.de/nrwe/ag_koeln/j2020/130_C_346_20_Urteil_20201123.html
Da der KiTa-Träger wohl noch Berufung einlegen könnte (oder schon hat?) ist das Urteil noch nicht rechtskräftig. Die Richtung und Argumentation ist aber natürlich eine erste interessante Entscheidungshilfe für andere Eltern, die kurz vor Jahresende ggf. auch entscheiden, ob sie – wenn keine freiwillige Rückzahlung erfolgt – Klage erheben wollen. Denn immer am Jahresende droht die Verjährung eines Jahresbeitrages (regelmäßige Verjährung 3 Jahre).
Im entschiedenen Fall wurde den Eltern nun insgesamt EUR 2.675,00 für die Jahre 2017 bis 2020 zugesprochen, und zwar für:
- eine einmalige Aufnahmegebühr iHv EUR 200,00
- monatliche Gebühren iHv EUR 60,00 für besondere Angebote
- monatliche Windelpauschale iHv EUR 15,00
- jährlich zehn Stunden unentgeltliche Arbeitsleistung der Eltern (zuvor gesichert durch eine einzuzahlende „Elternhelferpauschale“ iHv EUR 150,00)
Das Amtsgericht stellt fest „Ein Rechtsgrund besteht für die Leistungen nicht. Die […] Gebührenordnung […] ist unwirksam.“ Die AGB der KiTa würden die Eltern „unangemessen benachteiligen“ und sind „mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren.“ Die entsprechende Regelung sei § 23 KiBiz a.F., denn „Die Leistungen der KiTa sind bereits durch die staatliche Förderleistung an die Einrichtung abgegolten.“ und „Elternbeiträge im Wege einer verdeckten Beitragserhebung seien nicht zulässig.“
Das Kölner Urteil stellt für die KiTa-Träger klar, dass es nicht gegen Zusatzleistungen, sondern nur gegen (Zwangs-)Zusatzgebühren geht: „Es bleibt den Kindertageseinrichtungen frei, Leistungen anzubieten, deren Inanspruchnahme und Gegenleistung freiwillig erfolgt. Lediglich der „Zwang“ der Vorschriften der Beitrags- und Gebührenordnung, eine Aufnahmegebühr, eine Elterngeldpauschale, eine Kitagebühr für besondere Angebote und eine Windelpauschale für unter Dreijährige zu erbringen, ist mit den gesetzlichen Vorschriften nicht in Einklang zu bringen. Allein der Verpflegungsbeitrag ist anerkannt. Alle anderen Aufwendungen und Angebote, die innerhalb der Grenzen des staatlichen Förderauftrags gemäß § 22 SGB VIII erbracht werden, unterliegen einem privaten Zuzahlungsverbot.“
„Bietet eine KiTa spezielle Angebote an, so handelt sie auch in eigenem Interesse, z. B. um sich von anderen Einrichtungen abzugrenzen. Die Finanzierung von Betriebskosten neben der der staatlichen Förderung hat sie selbst zu verantworten. Die Erhebung verbindlicher Elternbeiträge ist als Teil der Finanzierung dem Jugendamt vorbehalten, das aufgrund der Staffelung der Beiträge u.a. nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Eltern (§ 23 Abs. 5 KiBiz aF), den Gerechtigkeitsaspekt im Sinne der Gleichbehandlung und der Verhältnismäßigkeit im Fokus hat. Es ist aus dem Gesetz keine selbstverständliche Erhebung von Mehrbeträgen abzuleiten, nur weil es sich ihrem Wesen nach um eine private und nicht um eine staatlich oder kirchlich getragene KiTa handelt.„
Wir als JAEB Köln freuen uns, dass das Amtsgericht Köln die Regelung in den Gesamtkontext frühkindliche Bildung und soziale Gerechtigkeit einordnet: „Auch bei Betrachtung des Gesamtkonzepts des Kinderbildungsgesetzes fällt die sich steigernde Entlastung der Eltern sowie die damit verbundene Herstellung von Chancengleichheit und Bildungsgerechtigkeit der Kinder auf. Wesentlicher Grundgedanke ist, dass die frühe Bildung für Kinder verbessert wird. Alle müssen die Chance haben, ihre Talente zu entfalten und optimal gefördert zu werden. So wurde mit dem Kindergartenjahr 2011/2012 zB der erste Schritt in Richtung Elternbeitragsfreiheit gemacht (Regierungsentwurf, Erstes KiBiz-Änderungsgesetz S. 3, 24). Mit Inkrafttreten des Gesetzes zur qualitativen Weiterentwicklung der frühen Bildung sind sogar die letzten zwei Kindergartenjahre beitragsfrei gestellt worden, vgl. § 50 Abs. 1 KiBiz. Der Gesamtzweck würde ausgehöhlt werden, wenn man dem Gesetz eine freie Kalkulation über die Erhebung privater KiTa-Gebühren entnehmen würde. Es entstünden wiederum Hürden für bestimmte Elterngruppen und ihre Kinder, wenn die Vergabe der Plätze sowie die Teilhabe an verschiedenen Angeboten an ein zusätzliches Entgelt geknüpft wäre.“ [Hervorhebungen von uns, JAEB Köln]
Das Urteil verbietet auch nicht etwa Zusatzangebote, aber diese seien dann eben als rein freiwillige Angebote im Anschluss auszugestalten, haben also nicht in der normalen Betreuungszeit stattzufinden: „Handelt es sich tatsächlich um Leistungen, die über den Förderungszweck und die damit verbundene Finanzierung des KiBiz hinausgehen und nicht zwangsläufig aus Gerechtigkeitsgründen allen Kindern gleichermaßen ermöglicht werden müssen, hat der Träger der Einrichtung die Angebote auf die Zeit nach der Regelbetreuung zu legen.“ [Hervorhebungen von uns, JAEB Köln]
Den Eltern wurde übrigens auch nicht angelastet, dass sie sich zuvor nie beschwert hatten: „Dass die Kläger sich positiv über Angebote der Beklagten geäußert sowie die Gebührenzahlungen nie zuvor beanstandet haben sollen, ist unschädlich. Ein Handeln der Kläger gegen die Grundsätze von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB, in Form eines widersprüchlichen Verhaltens, ist nicht ersichtlich.“
Für am Thema „Zusatzgebühren“ interessierte Eltern verweisen wir auf unsere früheren Beiträge: